Kalchschmids Albenpanorama

12/2024

Verdis «Giovanna d’Arco» live aus Heidenheim, französische Melodies und Chansons und eine Weihnachts-CD mit Benjamin Appl und den Regensburger Domspatzen

Klaus Kalchschmid • 14. Dezember 2024


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Mit der Historie viel zu tun hat Schillers Bearbeitung des Stoffes der Heiligen Johanna kaum. Zum einen stirbt sie in der Schlacht und nicht auf dem Scheiterhaufen, zum anderen ist sie hier mit König Karl VII ein keusches Liebespaar, das wiederum den Vater auf den Plan bringt und er seine Tochter als Hexe verdammt. Die späte Reue hilft wenig, aber am Ende wird Jeanne d‘Arc oder «Giovanna d‘Arco» bei Giuseppe Verdi in den Himmel erhoben und gleichsam heiliggesprochen, was tatsächlich im 20. (!) Jahrhundert endlich passierte.

Wäre diese Oper ein reifes Verdi-Werk, würde sie häufiger gespielt werden, die Oper entstand aber 1845 zwischen «I due foscari» und «Alzira», zwei Jahre vor dem ersten Geniestreich Verdis, dem «Macbeth». Daher gibt es neben wenigen reifen Momenten viel traditionell Schmetterndes, nicht zuletzt in den Chören. Dabei versuchen alle drei Protagonisten bei den Opernfestspielen Heidenheim nie dem Affen Zucker zu geben und gewinnen ihren nicht unbedingt farbigen Stimmen ein Höchstmaß an Ausdruck ab. Tenor Héctor Sandoval als Carlo singt kultiviert, auch Sophie Gordeladze reizt die Partie der zwischen Emphase und Entsetzen (wenn sie bei den Engländern eingekerkert ist) musikalisch aus, wenngleich ihrem Sopran eine schöne Rundung und die Expression aus sich heraus fehlt. Bleibt der Vater in Gestalt von Bariton Luca Grassi, dritte wichtige Hauptrolle der Oper, der zwischen Geifer am Anfang und Trauer am Ende hin und her gerissen ist. Bemerkenswert, was die Capella Aquilea, das Orchester der Opernfestspiele Heidenheim leistet: So sehnig gespannt und voller Brio und so geschmeidig wie unter Marcus Bosch muss man erst einmal spielen. Auch der Tschechische Philharmonische Chor Brünn überzeugt. (Coviello Classics, auch als Bluray)

 
„kiki à Paris“ stellt schon mit dem Cover eine eindeutige Botschaft dar, ist doch auf diesem berühmten Foto von Man Ray die Sängerin, Dichterin und Malerin Alcie Prin, genannt Kiki, Queen of Montparnasse, dargestellt, von der auf diesem wunderbaren Crossover-Album auch „Là-haut sur la butte“ zu hören ist. Ungemein geschickt, dabei ganz natürlich sind Claude Debussy (Chansons de Bilitis), Reynald Hahn (das berühmte „à cloris“), Lili Boulanger und Francis Poulenc gemischt mit Songs bzw. Chansons von Frauen wie Barbara, Juliette, Hoshi, Dalida, Édith Piaf und Brigitte Fontaine. Dank gleicher sparsamer, aber suggestiver Besetzung in der Begleitung (Geigerin Elsa De Lacerda und die Gitarristin Magali Rischette) und wunderbar artikuliertem Gesang der jungen Mezzosopranistin Alban Carrère, fallen die Unterschiede kaum auf. Jean-Luc Fafchamps ist ein geradezu perfekter Arrangeur, der den diversen Liedern passgenaue Begleitungen und dem Mezzo glanzvolle Umhüllungen verschafft. Selbst wer kein Französisch oder nur wenig versteht, hat seinen großen musikalischen Spaß an diesem Album. Denn leider wird aus Kosten- und Platzgründen einmal mehr auf eine zumindest englische Übersetzung der im Original abgedruckten Texte verzichtet. (Cypres)


Der Geschmack bei Weihnachtsplatten dürfte weiter gespannt sein als bei keinem anderen Genre. Der Purist liebte es a cappella und nur deutsche Lieder. Das andere Extrem begleitet jedes Lied mit Orchester, so manche Strophe wird der internationalen Vermarktung zuliebe englisch gesungen. Die Regensburger Domspatzen gehen mit Benjamin Appl, selbst einst Domspatz, auf ihrem „Christmas Album“ den Mittelweg. „Machet die Tore weit“, „Es ist ein Ros entsprungen“, „In dulcio jubilo“ oder „Schlaf, mein Kindlein“ etwa bleiben ganz unbegleitet, „O du fröhliche“ schmettert dafür überflüssigerweise nur das Münchner Rundfunkorchester unter Florian Helgath. Anderes singt der junge Bariton mit schöner, schlanker, aber durchaus charismatischer Stimme zusammen mit dem Münchner Rundfunkorchester wie Michael Heads „The three mummers“ oder trompetenüberglänzt „Großer Herr und starker König“ und „Ich steh an Deiner Krippen hier“ aus dem «Weihnachtsoratorium». Fremdkörper im sehr gemischten Programm, bei dem auch zwei Lieder von John Rutter, Französisches (Cécile Chaminade) und Schwedisches nicht fehlen darf, sind das ganz traditionell von Zither und Bass begleitete „Es wird schon glei dumpa“ und das gleichermaßen reizvolle volksmusikalische „Geh, Hansl , pack dei binngerl zamm“ und natürlich „Stille Nacht“. (alpha)